Zugegeben, die erste Teilstrecke eröffnete schon im letzten Novemberwochenende, aber berichten wollen wir trotzdem im Neuen Jahr darüber. Denn die Fahrradschnellbahn ist mehr als einfach nur eine Fahrradspur. Sie ist ein Schritt in eine flexiblere, bewusstere und grünere Zukunft, ein Schritt in Richtung offenere und freiere Stadtlandschaften, ähnlich wie in Kopenhagen oder Amsterdam.

Die Radschnellbahn, kurz RS1, bietet eine Lösung zu Staus, schlechter Luft und somit dem CO² Ausstoß und natürlich eine gesündere Variante zum Wunschort zu gelangen. Endlich geht es auf dem Fahrrad vorwärts. Die ersten fünf Kilometer der insgesamt über 100 Kilometer langen Strecke wurden zwischen Mülheim und Essen eröffnet.

Radschnellbahn verbindet 10 Städte miteinander

Radschnellweg ist wunderbar frei von Schäden und unvorhergesehenen Hindernissen, im Gegensatz zu konventionellen Strecken

Im Gegensatz zum einspurigem Streifen, oft von parkenden Autos oder anderen Hindernissen, wie durschlagenden Baumwurzeln oder Mülltonen unterbrochen, ist diese vier Meter breite Spur eine Augen- und Reifenweide. Sie ist komplett abgetrennt von der Straße, steht für sich allein und nur für ihre Drahtesel treibenden Fans da. Ihre weißen Leitlinien strahlen freundlich im Sonnenschein. Die unversehte, jungfräuliche, dickschichtige Bitumendecke zieht sich einladend und ohne jegliche Risse, beinahe ohne Zwischenstops (Kreuzungen muss es schon geben) durch die Landschaft. Straßen werden via Unter- oder Überführung in Angriff genommen. Die Radschnellbahn ist ausreichend beleuchtet und verfügt im Winter über einen eigenen Reinigungs und Streudienst.

10 Städte wird es auf der Strecke der RS1 am Ende geben. Duisburg, Mülheim, Essen,  Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund, Unna bis Hamm sollen verbunden werden mitsamt der vier Universitäten, die auf der Strecke liegen. Die Trasse verläuft entlang alter ungenutzter Zugschneisen im industriellen Teil des Ruhrgebiets. Dies erleichtert das Bauvorhaben erheblich, da die Trasse auf oder entlang dieser aufgelassener Bahnlinien gelegt werden kann. 2020 sollen die insgesamt 101 km fertig werden.

Auch andere Städte haben schöne Streckenpläne

Pflasterboden mit Fahrradpiktogramm

Bankstadt Frankfurt plant ebenfalls eine etwa 30 Kilometer lange Strecke südlich von Darmstadt, während München 15 Kilometer errichten will, die die nördlichen Vorstädte miteinander verbindet. Nürenberg will vier Städte miteinander verbinden und hat bereits eine Studie veranlasst, um Planung und Auswirkungen besser bestimmen zu können. Auch die Hauptstadt hält sich ran. Zumindest wurde in Berlin im Dezember ebenfalls eine Studie eingeleitet. Die Idee ist das Zentrum der Stadt an den grünen Südwesten zu koppeln. Eine Strecke bis nach Zehlendorf soll her. Nachdem das Radbahn-Projekt erstmal nicht umzusetzen scheint, ist die Radschnellbahn für Berlin durchaus etwas worauf man sich als Radler freuen kann.

Funktionell ist das Stichwort – Radeln durch den Pott

Industrie, Ruhrgebiet, Verfall

Malerische Szenerien sollte man auf dem ersten eröffneten Abschnitt nicht erwarten. Es sind keine Freizeitfahrten entlang der Tauber oder Nahe, die man hier strampelnd unternimmt. Ganz im Gegenteil, hier geht es mitten durch den Ruhrpott und seine hässlichsten Wirtschaftsauswüchse, seine fleckigsten und traurigsten Überreste. Fabriken und Fördertürme links und rechts, leerstehende Gebäude, für den Abriss zu teuer – Bergbau-Feeling pur. Geschundene Reihenhaussiedlungenzu beiden Seiten – fast kann man den Kohlestaub in der Luft riechen. Über den Köpfen der fleißigen Strampler hängen die Überland-Starkstromleitungen von Ost nach West, an anderen Masten etwas weiter oben die Leitungen von Nord nach Süd.

Aber so ist das eben. Der Radschnellweg ist in erster Linie praktisch und soll von A nach B bringen können. Insgesamt wird geschätzt, dass die RS1 etwa 50.000 Autos täglich aus dem Verkehr ziehen könnte, da sich etwa 2 Millionen Menschen in einer Entfernung von nur etwa 2 Kilometern von der Bahn befänden, und diese so in ihre täglichen Routen einbauen könnten, so Martin Toennes des Rergionalverbands Ruhr (RVR). Dies sind die Zahlen, um die es geht.

Bremsender Fahrtwind – Kosten der Radschnellbahn müssen geteilt werden

Finanzierung ist auch hier der Knackpunkt. Ein solches Projekt lässt sich was kosten. 180 Millionen Euro um genau zu sein. Problem an dieser Summe jedoch ist, dass Radwege in Deutschland nicht dem Regierungshaushalt unterliegen. Der Staat kümmert sich lediglich um Autobahnen, Straßen und Brücken. Die Fahrradtrassen und Wege, wie auch deren Infrastruktur unterliegen den lokalen Regierungsbezirken.

Die fünf Kilometer der RS1 im Ruhrgebiet wurden glücklicherweise geteilt. Die EU übernahm etwa die Hälfte, während Nord Rhein-Westfalen 30% dafür zusammenklaubte und der RVR weitere 20% beisteuerte. Es laufen Verhandlungen darüber, die Strecke trotzdem mit Hilfe der Regierung zu finanzieren, um den finanziellen Druck von den Gemeinden zu nehmen. Die CDU schlug ein privates Finanzierungsmodell vor, welches Werbung entlang der Strecke, erlaubt. Doch das ist noch nicht alles: Zudem kommen laufende Kosten, wie Reinigung, Instandhaltung und Beleuchtung hinzu, die alleine kaum zu stämmen wären, sodass eine gemeinsame Lösung gefunden werden muss.

Der ADFC ist der Meinung, dass der Bund mit mindestens 10% für die Radweginfrastruktur aufkommen sollte.

Die erstmals in den Niederlanden aufgekommene Idee findet aber zunehmend Zuspruch und Nachahmer. In London und in Dänemark gibt es bereits eigene Pläne für Radschnellbahnen.

Text: Anna Lazarescu

Bilder: fotolia.de