Wiesbaden wurde zu Deutschlands fahrraduntauglichsten und unfreundlichste Stadt überhaupt gekürt. Es ist sicherlich keine große Ehre einen solchen Titel abzugreifen, vor allem nicht wenn er von den dort ansässigen Fahrradclubs vergeben wird. Was kann man also dagegen tun? Nun, die Stadt anscheinend noch nichts. Dafür hat sich eine Kreativagentur hingesetzt und Gedanken darüber gemacht, wie der Status quo verändert werden kann. Scholz & Volkmer heißen die hellen Köpfe, die gemeinsam mit den Künstlern Manfred Kraft und Tom Kresin an einer Lösung arbeiteten.

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Das aus den verbundenen Hirnströmen entstandene Projekt nennt sich Radwende – ein kurzer, einprägsamer Name. Radwende ist ein kleines aber feines Projekt, welches beinahe jedem vertraut ist, aber unglaublich konkrete Daten liefern kann, die es ermöglichen die am häufigsten und stärksten von Fahrrädern befahrenen Strecken ausfindig zu machen. Das alles funktioniert per App und Smartphone. Android und Iphone inbegriffen, und zeigt auf wo man in Zukunft Radwege schaffen müsste. Ein ähnliches Projekt fand 2012 in Berlin innerhalb des BMW Guggenheim Labs zustande, als eine crowd-gesourcte Streckenkarte für Radler für Berlin entstand, die aufzeigen sollte, welche Wege sicher und welche weniger sicher waren. Hierzu wurden Faktoren wie Verkehrsdichte, Radwege, Ausschilderung, Straßenbeschaffenheit, Anzahl der Radler auf der Strecke und vieles mehr in Betracht gezogen.

Das Prinzip ist denkbar einfach. Sind Sie ein Radler in Wiesbaden müssen Sie nichts anderes tun, als sich die App auf Ihr Handy zu laden. Diese übermittelt Ihre Route an ein Zeichenbord mit integrierter Zeichenmaschine und überträgt Ihre Route auf einer Landkarte. Die Vorrichtung ist in der Lage immer nur eine Route auf einmal wiederzugeben. Das Radwendeprojekt ist momentan noch bis zum 10. August im Wiesbadener Museum Für Kunst ausgestellt. Die Künstler erhoffen sich damit eine Reaktion und Aktion seitens der Stadt, die sich mehr für Radler und deren Bedürfnisse einsetzen soll, aber auch von den Autofahrern wird mehr Rücksicht verlangt: Aufmerksamer gegenüber den Verkehrsteilnehmern auf zwei Rädern zu sein, das ist das Ziel.

Radwende von Herbert Stattmann auf Vimeo.

Bislang wurden von den an der Radwende teilnehmenden Radfahrern ungefähr 2.945 Routen und 16.327 Kilometer zurückgelegt (Stand 07.08.2014). Rechnet man dies auf den CO2-Abdruck um, ist das eine satte Ersparnis von 3.396 Kilogramm Karbondioxid. Ein schönes Gimmick des Projektes ist, dass die entstandenen Strecken am Abschlussabend der Ausstellung, als Drucke erworben werden können. Der Preis startet bei 150 Euro. Jedoch erhalten alle Projektteilnehmer und App-Downloader einen Discount: Jeder von Ihnen abgestrampelte Kilometer heißt einen Euro weniger für den Kunstdruck ausgeben zu müssen.

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Die künstlerische Komponente des Projektes wird in Wiesbaden bald ein Ende nehmen, doch nehmen sich die Entwickler der App vor, diese nicht nur für deutsche App-Shops anzubieten, sondern den Nutzkreis auch auf andere Städte und Länder auszuweiten. Eine leichtere und vor allem realistische und effiziente Ausweitung der Radwege, wäre so kein Problem mehr, da die Daten von den Fahrradfahrern direkt ausgewertet werden würden und in Straßenbaukonzepte einbezogen werden könnten. Außerdem würden die immer häufiger aufgrund schlechter Fahrradweg-Infrastruktur und mangelnder Ausschilderung oder Sichtbarkeit vorkommenden Unfälle verringert werden können, da man solche Strecken anhand der dort schon vorgekommenen Zwischenfälle oder der spärlichen Benutzung definieren könnte. Das Radwende-Team sucht hierzu noch finanzielle Unterstützung. Um direkten Kontakt wird über die Website gebeten.

Text: Anna Lazarescu

Bilder: Radwende