Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in der Türkei auf den Automarkt
Die türkische Lira befindet sich aktuell in einer dramatischen Währungskrise. Seit Anfang des Jahres 2018 hat die Lira erheblich an Wert eingebüßt. Die Inflation in der Türkei hat im August 2018 den höchsten Stand seit dem Jahr 2003 erreicht. Doch dabei handelt es sich nicht nur um ein innenpolitisches Problem der Türkei. Vielmehr kann der Verfall der türkischen Lira eine Wirtschaftskrise nach sich ziehen, die auch Einfluss auf die Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland hat.
Denn Unternehmen, die Kredite in US-Dollar aufgenommen haben, haben Schwierigkeiten, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen. Die Ratingagentur Standard & Poors hat der Türkei bereits fehlende Kreditwürdigkeit bescheinigt, sodass es dem Land zukünftig schwerfallen dürfte, Darlehen für notwendige Projekte zu erhalten. Die Zentralbank hob den Leitzins nun auf 24 Prozent an, um das verloren gegangen Vertrauen der Investoren wieder zu erlangen. Die wirtschaftlichen Probleme bleiben aber nicht ohne Wirkung auf die Autoindustrie. Die Verkaufszahlen sind in der ersten Jahreshälfte um rund 10 Prozent gesunken. Da sich die Verbraucherpreise infolge der Inflation im September gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent verteuert haben, ist mit einem weiteren Einbruch zu rechnen.
Folgen für die deutsche Automobilindustrie
Die Türkei gehörte in den vergangenen Jahren für die deutschen Automobilkonzerne zu einem Wachstumsmarkt. Seit 2010 wurde dort jährlich eine steigende Anzahl von Neuwagen verkauft. Die deutsche Automobilindustrie hatte damit gerechnet, zukünftig in der Türkei bis zu drei Millionen Neuwagen jährlich verkaufen zu können. Denn noch längst besitzen nicht alle Haushalte einen Pkw. Tatsächlich konnten in den ersten sechs Monaten 2018 aber nur 276.000 neue Fahrzeuge veräußert werden. Die deutschen Hersteller BMW, Daimler und Volkswagen vermelden ebenso wie Audi und Opel einen deutlichen Rückgang der Absatzzahlen. Eine Studie des Car Centers der Universität Duisburg-Essen geht davon aus, dass bis zum Jahresende lediglich insgesamt 550.000 Neufahrzeuge vertrieben werden können und der Absatz im kommenden Jahr noch weiter absinken wird. Die Menschen verfügen schlicht nicht mehr über die nötigen finanziellen Mittel, um einen neuen Pkw anschaffen zu können, zumal der Währungsverfall zu einem Preisanstieg bei Importfahrzeugen führt.
Wege aus der Türkei-Krise
Experten rechnen nicht damit, dass sich die türkische Lira kurzfristig erholen wird. Nach Auffassung der Banker würde eine Stabilisierung der Lira ein Umdenken des türkischen Staatspräsidenten erfordern, für das keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Noch sucht Erdogan die Schuld vornehmlich im Ausland und denkt nicht über Reformen nach. Doch die amerikanischen Importzölle sind nicht allein für die wirtschaftliche Situation der Türkei verantwortlich, vielmehr steigen die Arbeitslosenzahlen schon seit Jahren. Auch angesichts der politischen Instabilität in der Türkei ziehen sich ausländische Investoren mittlerweile zurück. Einen Weg aus der Krise könnte die Türkei finden, wenn sie Hilfen des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen würde. Bereits Anfang des Jahrtausends war dem Staat ein Notenkredit gewährt worden. Doch noch kann der türkische Staatspräsident sich zu diesem Schritt nicht entschließen. Er möchte sich nicht in der Rolle des Bittstellers sehen. Außerdem würden Kredite an Bedingungen geknüpft, die Präsident Erdogan höchstwahrscheinlich nicht gefallen dürften. Der türkische Finanzminister hat sich ebenfalls dafür ausgesprochen, die wirtschaftlichen Probleme aus eigener Kraft durch eine straffere Ausgabenpolitik in den Griff zu bekommen.
In Deutschland wird nach einem entsprechenden Vorstoß der SPD-Vorsitzenden Nahles bereits darüber diskutiert, ob eine finanzielle Unterstützung der Türkei sinnvoll ist. Dies ist vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen mit dem türkischen Präsidenten aber nicht unumstritten. Politiker der Grünen wollen Hilfen davon abhängig machen, dass das Land zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt. Der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff ist der Meinung, dass Wirtschaftshilfen in erster Linie das Regime des türkischen Ministerpräsidenten stützen würden, und lehnt solche deshalb ebenfalls ab. SPD-Politiker warnen dagegen vor sicherheitspolitischen Risiken, die mit einer politischen Isolation der Türkei einhergehen und auch den Westen gefährden könnten.