Kürzlich war in Berlin Fahrradausstellung. Schön zivilisiert ging’s da zu, ein bisschen großstädtisch-pflichtverrückt und ganz sauber. Hipster und solche die es werden wollen bestaunten sehnsüchtig das Accessiore neben Apfeltelefon, Vollbart und selbstgedrehten Zigaretten: Fixies, also Fahrräder ohne Gangschaltung (d.h. mit nur einem Gang) und sonstigen „Schnickschnack“, die eigentlich zur schnellen und vor allem wartungsfreundlichen Fortbewegung in der Stadt gedacht waren und jetzt zu astronomischen Preisen an alle verkauft werden, die gerne alternativ sein wollen.
Viele mag da der krasse Gegensatz zum blitzblanken Edelrad mit Halterung für die Vintagekamera reizen: Das Mountainbike. Einfach einmal in voller Montur raus aus dem Alltag und über steinige, schlammige Trails durch die freie Wildbahn heizen, am Lenker festkrallen und sich voll konzentrieren, während das Gehirn in einer Marinade aus Adrenalin und Glückshormonen schwimmt.
Nun, träumen kann jeder mal, aber häufig scheitern diese Träume an den ersten Bedenken: „Kann ich das überhaupt?“, „Ist das nicht gefährlich?“ und vor allem „Wo fange ich an?“
Aller Anfang ist leicht
Wer sich für Mountainbiking interessiert, sollte sich nicht von der vermeintlich elitären Natur des Sports abschrecken lassen. Wir spielen ja auch mit Freunden Fußball, obwohl es da den FC Bayern München gibt, der uns mit 110 gebrochenen Zehen noch ins Aus kicken würde. So ist es auch beim Mountainbiking: Experten sind ebenso selten wie die wirklich halsbrecherischen Abfahrten, das meiste in diesem Sport spielt sich auf durchaus machbarem Niveau ab.
Der Anfang ist schnell gemacht, und zwar mit der Wahl eines Rads. Wie viele Sportler haben Mountainbiker eine, sagen wir, eigene Sprache für ihr Equipment und sportspezifische Begriffe entwickelt. Dabei muss man anfangs gar nicht mehr wissen, als was man mit seinem Bike ungefähr anstellen will – und wie viel Geld man auf der hohen Kante hat, besonders Räder mit Carbon- oder Stahlrahmen gehen ordentlich auf das Portemonnaie.
Die wichtigsten MTB-Typen im Überblick (mittlerweile gehen aber die unterschiedlichen Formen immer mehr ineinander über, es gibt also jede Menge Hybriden):
Tourer:
Tourenbikes sind manchmal vollgefederte, manchmal mit einem Hardtail ausgestattete (nur das Vorderrad ist gefedert, das Hinterrad ist starr zugunsten des Handlings) Räder, die gut als Generalisten durchgehen. Leichte Aluminiumrahmen, breite Reifen, eher komfortabel. Auf einem Tourer kann man schon mal den ganzen Tag unterwegs sein, und das in unterschiedlichem Gelände, ohne vor Erschöpfung zusammenzubrechen.
All Mountain:
Diese Bikes sind die sportlicheren (und robusteren) Tourer. Hier kann auch einmal ein Schottertrail im Gebirge gefahren werden, ohne dass man sich Sorgen machen muss, dass der Rahmen bricht. Es wird voll gefedert (sog. “Fullys“), die Federung ist um einiges strapazierfähiger als bei den üblichen Tourenbikes. Allerdings sind All Mountains in der Regel auch schwerer, aber immer noch nicht so schwer, dass man damit nicht auch steilere Trails klettern könnte.
Enduro:
Das Arbeitstier unter den Mountainbikes. Ein gigantischer Federweg, breiter Lenker, Bremsen wie Krokodilkiefer, kompakte Bauweise – mit einem Enduro ist das Bergauffahren, besonders bei starken Steigungen wegen des Gewichts der ultrastabilen Bauteile eine Herausforderung. Dafür ist das Rad bergab ein Monster und macht auch höchste Belastungen wie Drops, knüppelharte Trails und den ein oder anderen Sturz mit.
Die Typbezeichnungen sind nicht wirklich bindend, sie sind nur eine grobe Einordnung und es gibt jede Menge Subkategorien wie Downhillbikes, Rennbikes, Cross Country, Trial… Anfänger lassen sich am besten vom Fachmann beraten und wählen je nach körperlicher Fitness und geplanten Touren einen Allrounder mit einem sportlichen Touch oder eben einen Spezialisten.
Egal, was man letztlich kauft: Sicherheitsausrüstung muss mit. Je brachialer die geplante Nutzung, desto mehr. Das geht bis hin zu Protektoren, Integralhelm mit Nackenstütze(!) und Oberkörperpanzer. Für einen „zivileren“ Einsatz tut es auch ein Helm und eventuell Knie- und Ellbogenschoner.
Wo kann ich dieses Ding denn nun fahren?
Wir in der Redaktion hier in Berlin sind ja absolute Flachlandindianer, Downhill ist hier also nur ganz bedingt in den Müggelbergen drin. Das heißt aber nicht, dass man nicht mit einem Cross Country-Bike über Stock und Stein heizen könnte. Man erreicht aber auch von flachen Gefilden aus binnen kurzer Zeit schöne Gebiete. Einfach in den Zug setzen oder einen Mietwagen nehmen und für ein Wochenende in die Berge fahren. Wer allerdings in einer Gegend wohnt, in der die höchsten Erhebungen auch als solche zu erkennen sind, kann sich glücklich schätzen. Mittelgebirge, Flusstäler, Hügelland – oder im Optimalfall die Alpen, die noch immer die spektakulärsten Trails bieten – sind das Paradies jedes ambitionierten Mountainbikers. Außerdem gibt es in Deutschland auch Mountainbikeparks, in denen man sich austoben kann. An beliebten Spots sind die Chancen übrigens gut, Gruppentouren für Anfänger oder Kurse zu finden, in denen die Grundlagen der Fahrtechnik vermittelt werden.
Fahrtechnik, oder: Wie komm‘ ich da heil runter?
Besonders am Anfang, und wenn die einzige sportliche Betätigung der letzten Jahre Bierkistentragen in den dritten Stock war, gilt vor allem eines: Langsam machen. Man muss nicht gleich einen Querfeldeinmonsterdownhilltrail im tiefen Matsch und voller Wurzeln fahren, der Spaß an der Sache stellt sich genauso auf Feldwegen und Schotterpisten ein. Wer ein wenig Erfahrung gesammelt hat, kann risikofreudiger werden – anfangs ist die Bremse der beste Freund des Rookies.
Erst einmal ein Gefühl für Untergrund, Rad und Körper entwickeln, dann steigern. Wichtig ist, bei aller Konzentration auf die Fahrt den Blick für die Umgebung nicht zu verlieren. Zum einen können unerwartete Hindernisse wie andere Biker oder Fußgänger schnell zur Gefahr werden, zum anderen ist es unerlässlich, die Umwelt zu schonen. Mountainbiking strapaziert die Böden und kann Wild aufschrecken. Einfach darauf achten, sorgsam mit Mutter Natur umzugehen und keine Wege fahren, die nicht als MTB-Trail gedacht sind – sonst kann es ganz schnell passieren, dass die Forstverwaltung „Radfahren verboten!“-Schilder aufstellt.
Mit diesen paar Regeln steht einem gepflegten (oder ruppigen) Sommerauftakt nichts mehr im Weg, egal ob in der Eifel, im Tessin oder am Mammoth in Kalifornien, wo der erste Bikepark entstand (hier mehr Infos, englische Seite).
Zuletzt eine gute Nachricht für unsere Hipster: Singlespeed-Mountainbikes liegen im Trend. Singlespeed bedeutet so viel wie Eingang-Rad. Es gibt also Matsch-Fixies. Aber bitte das neue Tablet zuhause lassen!
Text: Patrick Corduan