Alles im Zeichen der Reichweite, so heißt es für viele Hersteller elektrischer Fahrzeuge – jetzt wagt sich der amerikanische Reifenkonzern Goodyear ebenfalls an das Problem.

Die Geneva Motor Show hat jedes Jahr eine Palette an Innovationen zu bieten, die Besucher, Fachkundige und Presse in Staunen versetzen und Freude aufkommen lassen. Erneut stellten nicht nur die Autohersteller interessante neue Modelle vor, sondern auch die amerikanische Firma Goodyear, die sich als weltweit drittgrößter Reifenhersteller einen Namen gemacht hat. Ganz Ihrer Vokation entsprechend, wartete das Großunternehmen mit zwei neuen Reifenmodellen auf, von denen eines Energie generieren kann.

BH03 – Wenn Sonne und Asphalt zu Treibkraft werden

Der erste Konzeptreifen, der die etwas unspektakuläre Seriennummer BH03 trägt, soll Energie durch die Reibung mit Asphalt generieren und speichern. Auch normale Zugkraft und Belastungserscheinungen sollen die entstehende Hitze über den Reifen ableiten und zu Energie wandeln. Diesen Vorgang der Energiegewinnung bezeichnet man als piezoelektrischen Effekt. Hierbei tritt elektrische Spannung an einem Festkörper, hier der Reifen, durch seine elastische Verformung auf: Positiver und negativer Ladungsschwerpunkt werden durch die von außen einwirkender Kraft verlagert und erzeugen eine elektrische Spannung. Durch Sonneneinstrahlung generierte Wärme soll ebenfalls aufgenommen und zu Elektrizität gewandelt werden. Nur durch die Nutzung des in dem Reifen zur Verwendung kommenden piezoelektrisch-thermischen Materials ist dies überhaupt vorstellbar.


Gib Gummi

Der zweite Konzeptreifen mit den Namen Triple-Tube verfügt im Inneren über, wie seine Bezeichnung verrät, über drei Röhren unterhalb des Profils, welche durch eine Pumpe an die Straßenbeschaffenheit angepasst werden können. Sie pumpen den Reifen entweder stärker auf oder lassen Luft ab. Ganz ähnlich also, wie der letztes Jahr auf dem Genfer Autosalon vorgestellter SUV-Reifen, der über zwei Ringe mit eigenen Luftkammern verfügte. Funktionsweise: Der äußere Ring wird auf der Straße genutzt, während der innere Ring mit stärker ausgeprägten Profil auf Off-Road Strecken aufgepumpt wird.

Back to the roots

Eigentlich sollte dieser Leitspruch für so einiges in der heutigen Gesellschaft Verwendung finden. Mehr Simplizität, Ursprüngliches und Einfaches erleichtern nicht nur Prozesse, sondern können bei der Ideenfindung durchaus hilfreich sein. Anstatt an den Batterien der Autos rumzudoktorn, oder ganze technische Komponenten des Motors zu optimieren, sollte öfters nur auf das Grundlegende geachtet werden – in diesem Fall das Bodennahste – der Reifen. Goodyear liefert somit einen interessanten neuen Aspekt für die Automobilbranche, der beispielsweise in Kombination mit den Smart Highways des holländischen Designers Daan Roosegaarde eine Bandbreite an Möglichkeiten und unbegrenzte Mobilität schaffen könnte.

Für Elektroautofahrer könnte dieser Reifen eine schier unendliche Reichweite erzielbar machen oder sie zumindest so putchen, dass es bis zur nächsten Station nicht zu übermäßig vielen, besorgniserregenden Blicken auf die Ladungsanzeige kommt. Wie genau die mit dem BH03 erzeugte Energie an die Batterien des Wagens gelangt, wann der Reifen auf dem Markt erhältlich sein soll, und in welchem Preissegment er sich ansiedelt, ist noch nicht festgelegt.

Text: Anna Lazarescu
Bilder: Goodyear