Die Pläne für den Prenzlauer Berg, besser gesagt für den Helmholtzplatz, sind groß. Dieser soll im Mai 2015 als Schauplatz für das „Eco-Mobility Festival“ dienen. Dass ausgerechnet dieses Kare zwischen der Schönhauser Allee, der Danziger Straße, der Prenzlauer Allee und der Wichertstraße eine so wichtige Rolle für die Öko-Imagebildung Berlins spielen wird, hätte wohl niemand gedacht. Den Betroffenen wird es sprichwörtlich nicht zu bunt, sondern zu grün.

Allerdings sind es die Organisatoren, die sich im Angesicht der bevorstehenden Verantwortung grün hinter den Ohren fühlen sollten, oder zumindest bescheiden und respektvoll dem Vorhaben gegenüber. Das Vorbild lieferte das im letzten Jahr in Südkorea stattgefundene Festival. Auch dort wurde für 30 Tage in Suwong, ein Stadtviertel von konventionellen Transportmitteln befreit. Dort handelte es sich aber um etwa viermal so wenige Anwohner (4343 Einwohner) und circa 2000 weniger Autos (1500 Autos). Insgesamt sollen in Berlin einen Monat lang 20.000 Menschen komplett auf ihre eigenen Beine, elektrische Shuttlebusse, Straßenbahn, Fahrrad, E-Bikes und E-Carsharing umsteigen. Hierfür werden von der Stadt 600 solcher spritloser Autos zur Verfügung gestellt.

In Korea stellte man innerhalb des Festivals einige alternative und vor allem emissionsfreie Fortbewegungsmittel vor und band sie in das Geschehen ein. Von Passagiertransport, Freizeit bis hin zu privaten Transportmöglichkeiten wurde alles abgedeckt. Auch an Kinder und Haustiere wurde gedacht. Koreanische, als auch ausländische Firmen wie „Nordic Cab„, „Minimove„, „M-Products“ oder „Aryen Motor & Aeronautics Co., Ltd“ gaben sich die Ehre und ließen ihre E-Roller, Räder, Caddies und Trollis in dem abgesperrten Viertel herumfahren. Wer in Deutschland teil des Partnerabkommens wird und einen begehrten „Ausstellungsplatz“ ergattert, wird sich zeigen. An Firmenkonkurrenz und kreativer Herausforderung mangelt es sicher nicht.

The streets of Suwon clip – 6 min from The Urban Idea GmbH on Vimeo.

Die Meinungen bezüglich des Eco-Mobility Festivals in der Wirtschaft und der Politik gehen auseinander, auch wenn der Grundtonus ein positiver bleibt. Verluste sind auf beiden Seiten zu beklagen, wenn nicht gründlich vorausgeschaut und ausgearbeitet wird. Alleine die Konzipierung einer alternativen Anlieferungsroute für Transporter, Be- und Entladungsflächen oder die eventuelle Bereitstellung elektronischer Frachtfahrzeuge, gestaltet sich kompliziert und kostenaufwendig. Die BSR erklärte sich für den Zeitraum bereit, den Müll mit einem E-Fahrzeug abzuholen. Doch was beispielsweise im Falle eines Wasserleitungsschadens oder anderen Ausfällen versorgungstechnischer Natur passiert, ist unklar. Riskant ist es allemal. Laut IHK- Sprecher Leif Erichsen, sei das Vorhaben „spannend“, denn es würde Berlin als „grüne Stadt“ in ein anderes Licht rücken. Jens-Holger Kirchner (Grüne), Stadtentwicklungsstadtrat sieht die Situation lockerer. Für ihn sei dies eine gute Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren. Das sehen Kollegen, wie Oliver Friederici (CDU) anders. Es sei nicht zu erwarten, dass in einem so großen Kiez, eine Übereinstimmung getroffen werden kann.

Viele Anwohner sehen bereits ein Problem darin, ihre familiären Umstände und Bedürfnisse in den vorgegebenen Rahmen zu pressen. Kinder müssten zur Schule oder in den Kindergarten, Großeinkäufe und der Transport von größeren Gegenständen falle kompliziert aus. Arbeitnehmer müssten komplett umstrukturieren und alternative Routen und Wege finden, um aus dem Kiez hinaus zu gelangen. In Korea hat es geklappt, aber ob sich das auch hier organisatorisch und logistisch umsetzten lässt, ist fraglich. Auch das „Wegparken“ der Autos, welches Platz für die Ausstellungsfläche rund um das Thema umweltfreundliche Mobilität und effektiven „Unternehmungsraum“ schaffen soll, wird kritisch beäugt. Zwar versichert Kirchner, dass es auf der Fröbelstraße, um den Jahn-Sportpark und um die Max-Schmeling-Halle bewachte Abstellflächen geben wird, aber komplett beruhigend wirkt diese Aussage nicht. Diese Gegenden leiden bereits an Parkplatzarmut. Wie nun also aus der Luft neuer Raum entstehen wird, ist niemandem klar, ohne sich andere Konsequenzen auszumalen.

Eines der Hauptprobleme liegt darin, dass sich viele der Bürger um ihre Entscheidungsfreiheit und Meinung betrogen fühlen. Es sei nicht korrekt, außen vor gelassen und in eine Situation gedrängt worden zu sein, die für viele eine radikale Umstellung des Alltags bedeutet. Auch die finanziellen Ausgaben für das Event würden enorm ausfallen. Insgesamt zieht eine große Unmut des „sich Fügen -Müssens“ durch den Kiez, der sich ausgeschlossen und überrannt fühlt. Wieso es ausgerechnet ein so stark besiedelter Bezirk ausgesucht worden ist, steht ebenfalls zur Debatte. Wahrscheinlich, weil er touristisch gut gelegen ist und somit nicht nur entscheidende Massen anziehen wird, sondern auch wichtige Wortgeber, Firmen und Gäste.

Allerdings ist ein Monat Ruhe und mehr Platz für Spielflächen, alternative Kunstformen, Open-Air Ereignisse, Cafés und Theatervorstellungen, keine schlechte Sache. Auch die Vorstellung alternativer Transportmöglichkeiten und somit auch das „Um- und Angewöhnen“ der Bevölkerung, die oft auch einfach aus Bequemlichkeit zum Autoschlüssel greift, ist nicht verurteilbar. Am Ausprobieren und experimentieren liegt die Aufregung also nicht, denn dies macht Fortschritt und Evolution aus, kann besser Wege aufzeigen. Es geht um das Prinzip der gemeinsamen Übereinkunft und der Sorge darum, ob alles so wie geplant ablaufen kann und nicht auf Kosten derjenigen, die um den Helmholtzplatz wohnen. Das Thema bleibt spannend und wird die Debatte um emissionslose und grüne Fortbewegung mit Zunder versorgen. Freuen darf man sich auf die eigens dafür entwickelten Prototypen und den Blick auf eine grünere Zukunft.

Text: Anna Lazarescu