Eine Irlandreise – Achill Island

Kenner sind sich einig: Irland ist dort am irischsten, wo nach den Steilküsten für einige tausend Kilometer nichts mehr kommt als Atlantik – im Westen. Connemara und Galway sind jedem ein Begriff. Wer aber eine besonders raue Dosis Meerluft, Torfmoor und Guinness möchte fährt weiter nördlich, ins County Mayo. Dort liegt die größte irische Insel, Achill Island.
Hierher verirren sich keine Touristenmassen, Schafe stehen mitten auf der Straße und denken gar nicht daran, einem Auto Platz zu machen, das ganze Dorf trifft sich am Wochenende im Pub, es wird gemeinsam getrunken und am Kaminfeuer Musik gemacht. Was nach Klischee klingen mag, entwickelt einen Sog, dem sich auch der abgeklärteste Besucher nicht entziehen kann.

Die Insel ist dünn besiedelt; die Torfmoore, Ebenen voller Ginsterbüsche, Berge und Klippen bestimmen das Landschaftsbild. Was nicht ganz richtig ist: Eigentlich wird die Landschaft vom Wetter geformt, vom Spiel des Lichts und vom Wind. Schon der Maler Paul Henry, der die Insel 1910 besuchte, warf sein Rückfahrticket kurzerhand ins Meer und blieb fast zehn Jahre. In dieser Zeit entstanden auch die meisten seiner vielen Bilder der Szenerie auf Achill. Er versuchte, den ständigen Wechsel des Wetters, der die Landschaft unablässig zu ändern scheint, kurz: Die Schönheit der Insel festzuhalten.

 Achill-Island-Keem-Bay-Achill-head

Must-Sees

Wer Achill (oder Gälisch „Acail“)  besucht, für den vergeht die Zeit auf einen Schlag langsamer. Der Autor dieser Zeilen kann das bestätigen, er hat es selbst erlebt. Achill entschleunigt. Nach drei Tagen wirkt der Alltag fern und unwirklich. Doch obwohl die Uhren am Westrand Europas ein wenig anders gehen, sollte man nicht in völlige Tiefenentspannung versinken – dafür gibt es zu viel zu sehen und erleben. Auf jeden Fall sollte man den Atlantic Drive entlang gefahren sein, eine einsame Küstenstraße, die unglaubliche Panoramen bietet. Keem Bay sollte ein weiterer Punkt auf der Liste eines jeden Achill-Reisenden sein, die tief ins Land geschnittene Bucht im Schatten des Achill Head ist auch bei Surfern recht populär. Das „Deserted Village“ am Fuß des Slievemore wurde 1845 während der großen Hungersnot verlassen, nur die verwitterten Gerippe der alten Häuser kauern sich noch an den Berghang. Zum Pflichtprogramm gehört ganz klar auch ein Besuch eines der lokalen Pubs, das Valley House bietet eine besondere Atmosphäre – hier treffen sich die Insulaner, wer etwas vom Leben auf Achill mitbekommen will ist dort genau richtig.
Wer ein wenig Abenteuer sucht besteigt den Croaghaun, den westlichsten und höchsten Berg Achill Islands. Auf dessen Rückseite, für Autos nicht erreichbar, liegen die dritthöchsten Klippen Europas – hier ist allerdings Vorsicht geboten, wenn es nicht trocken ist kann eine Wanderung zusammen mit dem Wind schnell richtig gefährlich werden. Lieber vorsichtiger als am Meeresgrund.

Achill-Island-Deserted-Village

Nützliche Tipps

Am wichtigsten ist: Rechtzeitig Zimmer buchen! Das Angebot ist nicht so üppig, dass man nicht bei einem spontanen Besuch Pech haben und aufs Festland ausweichen müssen könnte. Wild Campen wird wie überall nicht gerne gesehen – und weil die Insel seit Jahrhunderten fast baumlos ist, wird es gesehen. Definitiv. Wer die Insel erkunden möchte und nicht gerade eine Fahrradtour macht, sollte unbedingt ein Auto mieten, denn die Gegend ist sehr weitläufig und öffentliche Verkehrsmittel… Es gibt einen Bus. Manchmal. Motorräder sind auf den Straßen der Insel aber auch etwas Feines. Zuletzt, und das klingt zwar banal, der Autor hätte aber seinerzeit mit seinem Leihwagen beinahe ein Problem bekommen: Rechtzeitig tanken, vor allem bei Ortsunkenntnis. Ist nicht wie in Deutschland, wo man in einem Dorf mit drei Häusern mindestens eine Fastfoodkette und drei konkurrierende Tankstellen findet.

Die Sache mit den Wischmopps
oder Die Geschichte vom fliegenden Schaf

Wie oben erwähnt ist die Insel voller Schafe, die frei herumlaufen. Und die überhaupt keinen Respekt vor Autos, Hupen oder Aufblenden haben. Aber nicht verzweifeln, wenn es sich ein Bock gerade mitten auf der Straße gemütlich gemacht hat, denn: Sobald man aus dem Auto aussteigt, geben die Herrschaften Fersengeld. Dass das fatal sein kann hat der Verfasser bei einer Fahrt über den Atlantic Drive erlebt. An einem Aussichtspunkt an besonders hohen, steilen Klippen grasten Schafe und waren von seinem Auto völlig unbeeindruckt. Als er und seine Begleitung aber aussteigend wollten, dämmerte es den Wollknäueln: „Mist, Menschen“. Und los ging die Flucht. Nur war es an diesem Tag extrem windig und das Schicksal nahm seinen Lauf: Eines der Schafe hüpfte dreimal, wurde von einem Windstoß erfasst, über den Rand der Klippe geweht und nie wieder gesehen.

Ruhe in Frieden, fliegendes Schaf. Wir haben noch am selben Abend auf dich getrunken.

 

Text: Patrick Corduan