Viele Autofahrer in Deutschland sind mit der städtischen Infrastruktur für den Individualverkehr oftmals unzufrieden. Allerdings sind das nicht selten Befindlichkeiten und Wahrnehmungen, die eher subjektiver Natur sind. Verlässliche Erhebungen und Analysen fehlen zumeist. Der britische Online-Autoteilespezialist Mister Auto hat nun den sogenannten Driving Cities Index für das Jahr 2019 veröffentlicht, der für sich beansprucht, die besten und die schlechtesten Städte für Autofahrer ausgemacht zu haben – und das weltweit.

Sicher fragst du dich: Ist das überhaupt möglich? Schließlich sind selbst Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen stark von den zugrunde gelegten Testkriterien und von den angelegten Bewertungsmaßstäben abhängig. Deutsche Autofahrer haben fraglos andere Vorstellungen von autofahrerfreundlichen Städten als die Bewohner anderer Kontinente, zumal die Lebensumstände in verschiedenen Ländern ganz unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringen. Insbesondere dann, wenn im Zusammenhang mit Bewertungen Superlative wie die Besten und die Schlechtesten gebraucht werden, ist Vorsicht geboten. Denn schließlich können die Bewertungskriterien der Analysten erfüllt sein – deine Anforderungen und Maßstäbe sowie die des durchschnittlichen europäischen Autofahrers vermögen jedoch gänzlich anders zu sein.

Das berühmte deutsche Automagazin auto, motor und sport hat die Analyse aus dem Hause Mister Auto bereits aufgegriffen und festgestellt, dass Düsseldorf weltweit auf dem achten Platz des Rankings zu finden ist. Gemäß dieser Auflistung steht Berlin auf Platz 51 und ist somit auch die schlechteste der zehn untersuchten deutschen Städte.

Berlin bei Nacht

Berlin bei Nacht

Die Bewertungskriterien im Einzelnen und Bewertungssieger, die verblüffen

Mister Auto hat seiner Analyse fünfzehn Bewertungskriterien zugrunde gelegt, die unterschiedlich gewichtet werden. Diese Parameter lassen sich in die drei Kategorien Infrastruktur, Sicherheit und Kosten einteilen. Sie berücksichtigen sowohl das Alter von Automobilen als auch die Zahl von Unfalltoten, die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs, die Straßenqualität, die Luftqualität und die Aggressivität von Autofahrern. Wenn du dir die Bewertungstabelle ansiehst – die Topbewertungen stechen sofort ins Auge.

Spitzenreiter ist das kanadische Calgary, dicht gefolgt von Dubai, der größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Kanadas Hauptstadt Ottawa ist an dritter Stelle zu finden. Bereits bei der Auswahl der Städte sollten europäische Autofahrer stutzig werden. Schließlich sind die als autofahrerfreundlich deklarierten Städte voller Extreme, insbesondere hinsichtlich der Wettersituation.

In Ottawa müssen sich Autofahrer auf schnelle Wechsel von Hitze und Kälte ebenso einstellen wie auf Eisstürme. Ein vergleichbares Bild bietet sich in Dubai. Die Stadt befindet sich mitten in der Wüste. In der Tat ist beispielsweise der obligatorische Tankservice ein Vorteil für die Menschen in Dubai. Allerdings liegt das nur daran, dass Fahrer und Insassen die klimatisierten Fahrzeuge bei Temperaturen um die vierzig Grad nur ungerne verlassen möchten. Als Gastgeber der Olympischen Winterspiele, der ein verlässlich kaltes Klima und viel Schnee bieten konnte, wurde Calgary 1988 weltberühmt. Möchtest du in dieser Stadt jedoch als Autofahrer unterwegs sein, musst du bereits im Oktober durchaus mit Schneestürmen rechnen.

Skyline von Calgary

Skyline von Calgary

Die Problematik mit dem Sinngehalt von Bewertungen

Wenn es um autofahrerfreundliche und autofahrerfeindliche Städte geht, ist das Topranking von Städten wie Calgary und Dubai ein Problem. Ob Wetterextreme, die nicht jedermanns Sache sind oder weite Entfernungen, für welche ein Automobil nahezu unverzichtbar ist – ohne Fahrzeug wäre die Lebensqualität in solchen Städten stark eingeschränkt. Autofahrerfreundlich sind sie nur nach den ganz speziellen Kriterien des Driving Cities Index, die nicht immer objektiv und sinnvoll sind. Daher ist bereits die Städteauswahl an sich hochproblematisch. Schließlich möchte ein Autofahrer einfach anhalten, aussteigen, die Stadt erkunden und dort vielleicht sogar genüsslich flanieren.

In Dubai sorgen die wüstentypischen Temperaturen dafür, dass das Auto zum unverzichtbaren klimatisierten Transportmittel wird. Touristen kennen die Problematik: Aus dem Hotel schnell ins Auto, zum Ziel fahren und schnell in die nächsten klimatisierten Räume. Autofahren wird hier zur Fahrt im goldenen Käfig. Zumindest die von den meisten Auto fahrenden Europäern gewünschte Lebensqualität sieht anders aus. Auch das vom Driving Cities Index herangezogene junge Durchschnittsalter der Fahrzeuge ist ein fragwürdiges Kriterium. Schließlich können es sich in Dubai zumeist nur Kurzzeittouristen sowie wohlhabende Familien mit hohen Einkommen leisten, Auto zu fahren. Für zahlreiche ausländische Arbeitskräfte oder ärmere Einwohner ist hier ein neues voll klimatisiertes Fahrzeug schlichtweg unerschwinglich. Wenn du dich darüber hinaus beispielsweise wunderst, was der im Ranking eingerechnete öffentliche Nahverkehr für passionierte Autofahrer bringt – so tust du das sicher zurecht. Andererseits hält der Driving Cities Index Denkanstöße und Anregungen bereit, die du für eigene Ideen und Vorstellungen nutzen kannst.

Es ist richtig, dass pulsierende Metropolen wie Mumbai und Mexiko-Stadt mit Verkehrsproblemen zu kämpfen haben, denen häufig Ursachen wie Geldmangel und zu hohe Bevölkerungsdichte zugrunde liegen. Im Index sind sie daher verständlicherweise die Schlusslichter des Rankings. Bist du jedoch gesellig, lernst du gerne Menschen und ihre Kultur kennen, dann ist eine Autofahrt in diesen Städten ein unvergessliches Erlebnis. Legst du hingegen Wert auf möglichst wenig Verkehr, liebst du die unberührte Wildnis, ist Calgary deine erste Wahl. Bevorzugst du eine Mischung aus Kulturstadt, pulsierender Wirtschaftsmetropole und einzigartigem großstädtischen Flair, kannst du dich sicher problemlos mit dem Berliner Verkehr arrangieren – trotz nur mäßiger Indexbewertung.

Dubai aus der Vogelperspektive

Dubai aus der Vogelperspektive