Erst vor nicht allzu langer Zeit, sind wir durch unseren Bericht über außergewöhnliche Elektroautos das erste Mal über die Formula Student gestolpert. Dabei handelt es sich nicht einfach um eine Rennliga, sondern vor allem um einen internationalen studentischen Ingenieurswettbewerb. Juroren aus Industrie, Rennsport und Co. entscheiden bei jährlichen Wettbewerben darüber, welche Teams die beste Ingenieursarbeit geleistet haben. Sie bewerten die Konzepte und prüfen unter anderem, ob die Konstrukteure verstanden haben, was sie da bauen und ob ein Auto in der Produktion möglicherweise zu teuer war, weil Fehler gemacht wurden.
Unterschieden wird dabei in die Formula Student Electric, in der jährlich über 100 Teams mit ihren Elektroautos antreten, und die Formula Student Combustion, in deren Rahmen mehr als 500 Rennwagen mit Verbrennungsmotoren gegeneinander fahren.
Beschleunigung, Straßenlage, Durchhalten – Fahrwettbewerbe in der Formula Student
Neben diesen sogenannten statischen Disziplinen, in denen das theoretische Wissen der Studenten bewertet wird, finden natürlich auch klassische Wettkämpfe statt. So zum Beispiel der Acceleration, bei dem auf 75 Metern gerader Strecke die Beschleunigung entscheidet, oder der Skid Pad, für den auf einer liegenden Acht erst zwei Runden rechtherum und dann zwei linksherum gefahren werden. Dabei kommt es auf die übertragbare Querbeschleunigung an, also: Wie schnell kann der Wagen die Kurven nehmen, ohne auszubrechen? Eher klassische Wettkämpfe sind die Hindernisstrecke (Rundkurs) Autocross und der Endurance, ein Rennen von 22 Kilometern, bei dem es vor allem darum geht, ob die Fahrzeuge durchhalten, aber natürlich auch darum, welches Team das schnellste ist.
municHMotorsport, das Formula Student Team der Hochschule München, nimmt jährlich an drei dieser Wettkämpfe teil, die von Juli bis Mitte September stattfinden. Die Münchner fahren zum Wettstreit auf dem Red Bull Ring am Spielberg in Österreich, zum Wettkampf in Hockenheim, einem der größten Events, bei dem auch Teams aus Indien oder Ägypten antreten, und zu dem Rennen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya. Letzteres ist eine Art Saisonabschlussevent, das die Münchner Studenten häufig zum Anlass für einen anschließenden Urlaub nehmen. Der scheint nach einer Saison in der Formula Student auch nötig, da die Teammitglieder bis zu 70 oder gar 80 Stunden in der Woche in ihre Rennwagen investieren.
Einer von ihnen ist der 22-jährige Jonas Reitemeyer. Der Student der Geotelematik und Navigation ist Vorsitzender der Teams und wir haben ihn mal über die Arbeit für und in der Formula Student ausgequetscht.
Du steckst wirklich 80 Stunden die Woche unentgeltlich in die Formula Student? Wie machst du das?
Ich studiere aktuell nicht wirklich. Ich mache gerade mein Praxissemester und versuche, mir die Arbeit hier anrechnen zu lassen. Ab März werde ich mir dann ein Urlaubssemester nehmen und damit ein Jahr lang nur Formula Student machen. Solche Leute brauchen wir leider. Da wir an der Spitze mitfahren möchten ist es nötig, dass manche bei uns so viel Zeit hier reinstecken.
Du bist also nicht der einzige, der so viel Zeit investiert?
Nein, aber grundsätzlich haben wir keine Vorgaben oder festen Arbeitszeiten. Jeder bekommt seinen Möglichkeiten entsprechend eine Aufgabe, die er dann zu erfüllen hat.
Und bezahlt werden wir in Wissen und Erfahrung. Wir investieren hier zwar unsere Freizeit, bekommen aber einiges, das man in Geld nicht bezahlen kann. Wer hier mitmacht, hat Motivation und macht es nicht wegen der Bezahlung und das ist wichtig, sonst kann man nicht erfolgreich sein.
Dann mal zum Kern der Sache: Was genau baut ihr?
Seit 2005 bauen wir Rennwagen und seit 2010 – damals wurde die Formula Student Electric eingeführt – bauen wir jährlich ein Elektroauto und einen Verbrenner für die Formula Student Combustion. In diesem Jahr setzen wir aus Personalmangel mit dem Verbrenner aus und werden diesen nun auf zwei Jahre hin konstruieren. Das Elektrofahrzeug bauen wir natürlich trotzdem und zusätzlich bauen wir jetzt gerade ein Elektrofahrzeug von 2015 um, um autonom zu fahren. Eine neu eingeführte Klasse in der Formula Student Germany, bei der eine verkürzte Form des Tracks autonom zu fahren ist, wobei es auch auf Rundenzeit geht.
Warum hat sich die Formula Student Germany dazu entschlossen, autonome Fahrzeuge bauen zu lassen?
Die Formula Student Germany wird sehr von der Automobilindustrie unterstützt. Jeder große Autobauer ist irgendwo als Sponsor vertreten und dementsprechend wollen die natürlich auch, dass man am Ende Ingenieure herausgekommt, die in Sachen next generation driving, also auch fahrerlosem Fahren ausgebildet sind. Da sind die wohl irgendwann auf die Idee gekommen eine Klasse zu eröffnen, in der fahrerlose Fahrzeuge gegeneinander antreten, um ihren Ingenieursnachwuchs zu fördern. Und weil es einfach ein ziemlich cooles Thema ist.
Personalmangel? Wie viele seid ihr denn und wie lange bleiben die Teammitglieder dann so im Schnitt dabei?
Jetzt sind wir wieder circa 100 Leute, sogar ein bisschen mehr. Aber als wir uns Mitte September Gedanken drüber gemacht haben, wie wir die Saison angehen, sah es noch ziemlich dünn aus. Wir haben einige Mitglieder, die schon bis zu sieben Jahre dabei sind. Es gibt aber auch welche, die nur ein Jahr bleiben. Es kommt immer darauf an, wie das Studium desjenigen verläuft. Denn oftmals vergisst man leider ein bisschen das Studieren und das hinkt irgendwann hinterher. Dann muss man aussteigen und sein Studium in den Griff bekommen. Das kommt ziemlich oft vor.
Was studieren denn eure Teammitglieder?
Wir haben erstaunlich viele unterschiedliche Studiengänge vertreten. Natürlich kommt mindestens die Hälfte aus Ingenieursstudiengängen, aber wir haben auch Leute aus dem Tourismusmanagement, Wirtschaftsinformatik und noch einige mehr. Grob geschätzt sind es mehr als sieben Fakultäten und 15 Studiengänge. Denn natürlich bestehen wir nicht nur aus Konstrukteuren und Ingenieuren, sondern haben auch ein Management, Marketing und Media. Da brauchen wir natürlich auch fähige Leute. Ingenieure helfen in den Fällen natürlich nur bedingt weiter.
Gibt es Teammitglieder, die nach dem Studium tatsächlich in die Rennwagenkonstruktion wollen?
Auf jeden Fall. Die meisten von uns sind einfach rennsportbegeistert. Ich weiß auch, dass viele Ehemalige von uns jetzt im Rennsport gelandet sind. Aber tatsächlich in den Rennsport zu kommen ist oftmals Glückssache.
Willst du das auch?
Ich bin mir noch gar nicht so sicher. Serienfahrzeuge finde ich auch ein spannendes Thema. Über die fahrerlose Rennklasse freue ich mich, weil ich eigentlich schon immer in den autonomen Bereich wollte. Aber ob es im Endeffekt Rennsport ist oder Serienfahrzeuge sind, das ist noch weit weg für mich.
An was für einem Fahrzeug würdest du denn gern mal mitbauen?
Ein Formel-1-Wagen natürlich. Die Königsklasse. Aber eigentlich ist mir egal, was es ist. Wichtig ist, dass es technisch-innovativ ist. Das ist meine Motivation dahinter: Etwas schaffen, das die Menschheit voran bringt!
Titelbild: Oliver Sold
Bilder: municHMotorsport