In den letzten Jahren wird die Automobilbranche immer grüner: Es kommen reihenweise immer erschwinglichere und praxistauglichere Elektroautos auf den Markt, Toyota forscht an neuartiger Brennstoffzellentechnik, Carsharing ist der Hit. Sogar die klassischen Hersteller von übergroßen Statussymbolen wie Mercedes Benz oder Audi liebäugeln mit der Hybridtechnik, oft auch einfach, um die immer strenger werdenden Richtlinien über den CO2-Ausstoß zu erfüllen.
Auf dem Markt tummeln sich Visionäre, Geldmacher und schräge Vögel gleichermaßen.
Und immer werden neue Technologien entwickelt oder alte Ideen weitergedacht, man nehme nur Stella.
Eine dieser alten Ideen ist das Luftdruckauto. Richtig gelesen.
Die gibt es schon seit hundert Jahren, vor rund 20 Jahren wurde sie von der französischen Firma MDI aufgegriffen und weitergedacht. Heraus kam erst einmal ein äußerst altbacken aussehender, aber funktionierender Luftdruckwagen. Das Hauptproblem war der Tank, der immerhin 300 Bar aushalten muss – hundertmal so viel wie ein gewöhnlicher Reifen. Das stellt höchste Ansprüche an das Material, wo so ein Tank explodiert, wächst kein Gras mehr. Daran mag es dann auch liegen, dass MDI seit Jahren Modelle in Serienreife verspricht und eine Umsetzung des Versprechens schuldig bleibt. Das könnte sich 2015 ändern: Zusammen mit dem Anbieter Airmobility möchte man das aktuellste Fahrzeug der Flotte, das MDI AirPod, auf Sardinien in die Serienproduktion bringen. Zuerst einmal allerdings nur für Firmenflotten und Carsharing-Angebote.
Tata ist mit von der Partie
Der indische Hersteller Tata hat das Potenzial der Luftdrucktechnik für den indischen Markt, der mit dem Wirtschaftswachstum zusehends mit Umweltverschmutzung zu kämpfen hat, erkannt. Daher arbeitet der Hersteller mit den Franzosen in der Entwicklung zusammen, die Markenrechte für Indien gingen für 20 Millionen über den Tisch. Eine Version des älteren MDI-Modells ist als Hybrid und als reines Luftdruckauto geplant. Es gibt auch schon einen indischen Prototypen des oben genannten Autos: Das AirPod. Sieht nicht so altbacken aus wie das MDI-Modell (aber immer noch ganz schön gewöhnungsbedürftig), soll 80km/h schnell werden und eine Reichweite von 200 Kilometern haben. Für den gewöhnlichen Stadtverkehr reicht das völlig aus. Das Modell ist sogar eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Idee, Luft an solarbetriebenen Ladestationen zu komprimieren: Das AirPod saugt die Luft über einen kleinen Elektromotor selbst an, wenn es steht. Und es soll für unter $10.000 zu haben sein. Tata macht sich, Jaguar aufzukaufen war eine gute Idee.
Das geniale an einem Luftdruckauto ist nämlich definitiv, dass es nach der Anschaffung im Prinzip kostenlos betrieben werden kann. Das wäre eine Revolution des Automarktes, der bis heute auch von den Mineralölkonzernen (und in Zukunft sicher auch von den Stromproduzenten) mit diktiert wird.
Es lohnt sich also, ab und an ein Auge auf Indien (und Sardinien) zu werfen und zu sehen, was sich dort so tut.
Natürlich ist Luftdrucktechnik nicht Amen in der Kirche, sonst hätten sich alle progressiven Hersteller längst darauf gestürzt. Das Problem ist einfach, dass beim Komprimieren von Luft sehr viel Energie als Abwärme verloren geht. Das ist nicht unbedingt energieeffizient. Eine Studie der Berkeley-Universität in Kalifornien kommt sogar zu dem Schluss, dass Luftdruckautos emissionsintensiver sind als herkömmliche Brenner. Klar, hier muss noch viel getan werden; andererseits ist die Studie von 2009. Und dass es das Konzept zumindest wert ist, erforscht zu werden, beweisen auch Hersteller wie Peugeot und Honda, die an der Technologie arbeiten.
Text: pc
Bilder: MDI SA