Die Weihnachtszeit. Die Zeit der Besinnlichkeit, die Zeit im Jahr, in der wir alle etwas stiller werden, in uns gehen, und uns auf das Fest der Liebe vorbereiten.
Pustekuchen.
Vor Weihnachten wird geshoppt, am besten noch morgens an Heiligabend; im Job stapelt sich die Arbeit, jeder will vor seinem Urlaub noch möglichst viel schaffen. Das Fest will geplant sein, der Besuch der Schwiegereltern, der Urlaub. Im Radio laufen „Weihnachtshits“ längst vergessener One-Hit-Wonder in Dauerschleife, bis es uns zu den Ohren rauskommt, im Netz und im Fernsehen werden wir mit jahreszeitgerechter Werbung und endlosen Jahresrückblicken und Weihnachts-Sondersendungen bombardiert. Manche von uns haben schon nach dem halben Advent die Nase gestrichen voll von Weihnachten, man fabuliert von einer Auszeit. Ohne „Oh Tannenbaum“, ohne Verwandtschaft, ohne Kleinkrieg um den letzten, verkrüppelten Weihnachtsbaum am Vierundzwandzigsten nachmittags… Die Weihnachtszeit hat kaum Besinnliches an sich, so etwas Esoterisches wie Weihnachtsstimmung mag oft nicht aufkommen. Außer, ja, außer auf Weihnachtsmärkten. Hier nimmt sich der moderne Mensch seine weihnachtliche Auszeit. Ob auf einen Glühwein oder ein paar gebrannte Mandeln oder für einen ganzen Abend – man schlendert über den Markt, vorbei an Ständen, die alles anbieten von Ramsch bis Kunst, nimmt die Eindrücke, die Gerüche und Lichter, auf und schaltet ein wenig ab. Nicht umsonst sind deutsche Weihnachtsmärkte ein Exportschlager, zum Beispiel in England: Sie lassen den Homo sapiens 2.0 für eine Weile seinen – seien wir ehrlich – verdammt stressigen Alltag vergessen und nehmen ihn mit auf eine Reise in unbeschwertere Tage, als Weihnachten noch Weihnachten war, und man sich im Advent tatsächlich darauf freute.
Deutschland ist ein Land der Weihnachtsmärkte, beinahe jede Kleinstadt hat irgendwo ein paar Buden stehen, an denen Glühwein und Süßigkeiten angeboten werden. In jeder Großstadt finden sich meist mehrere Märkte, in Berlin sind es mehr als ein Dutzend. Jeder kennt die ganz großen, wie den Nürnberger Christkindlmarkt, den Striezelmarkt in Dresden oder den Frankfurter Weihnachtsmarkt. Wer allerdings auf der Suche nach besonderen, einzigartigen Märkten ist, muss ein wenig suchen, um aus dem Einerlei aneinander gereihter Wurstbuden und Glühweinstände hinaus zu finden. Wir bieten nachfolgend einen kleinen Guide, der Weihnachtsmärkte in ganz Deutschland aufführt, die dem Leser ein einzigartiges, manchmal skurriles, manchmal romantisches und manchmal sogar ein weihnachtliches Erlebnis bieten.
Berlin
In einem Artikel über Alternativen zum „Oh, du Fröhliche“-Einerlei darf natürlich die Hauptstadt nicht fehlen: Weihnachtsmärkte sind in Berlin beinahe inflationär. Von wenig ansehnlichen, aber beliebten Märkten wie dem am Alexanderplatz bis hin zu schnieken Veranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt, bei dem man sich unter beheizten Pavillons auch schon mal ein Drei-Gänge-Menü gönnen kann – hier gibt’s für jeden etwas. Berlin ist allerdings auch eine Stadt der Vielfalt abseits des Mainstreams. Und das macht auch vor Weihnachtsmärkten nicht halt, so gibt es einige Veranstaltungen abseits der Budenslums mit Massenabfertigung. Zum Beispiel Holy.Shit.Shopping, einen Designweihnachtsmarkt, der dieses Jahr am 14. Und 15. Dezember im Postbahnhof stattfindet. Das Konzept passt zur Stadt: Ausgefallene Designstücke, dazu Musik vom DJ und junges, hippes Publikum. Die Veranstaltung ist ein Renner und tourt mittlerweile während der Vorweihnachtszeit durch Deutschland (dieses Jahr noch am 07. Und 08. Dezember in Köln und am 21. Und 22. Dezember in Stuttgart, s.u.). Als einer der lauschigeren und besonders schönen Weihnachtsmärkte in Berlin gilt der Lucia-Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg, der ein Ambiente ohne Weltzeituhr und Fernheizungsleitungen bietet und den skandinavischen Ländern gewidmet ist.
Hamburg
Der Erotikweihnachtsmarkt in St. Pauli wird jedes Jahr als mediale Sau durchs Dorf getrieben (natürlich überzogen, der Markt ist zwar alternativ, aber doch gesitteter als uns Boulevard&Co glauben machen wollen), aber Hamburg bietet noch mehr: Zum Beispiel den mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Bergedorf, der vor der Kulisse des Bergedorfer Schlosses Met, eine Menge Vorführungen wie Feuerspucker und Livemusik und Glühbier (!) in petto hat. Oder den „kleinsten Weihnachtsmarkt Hamburgs“: Auch hier wird auf Qualität vor Quantität gesetzt, Kunsthandwerk, Livemusik und Ausstellungsstücke aus der ganzen Welt heben den kleinen „Weihnachtsmarkt“ von der Masse ab.
Stuttgart
Neben dem schon erwähnten Holy.Shit.Shopping bietet auch Stuttgart Alternativen für alle, denen das Glühweinschwemmen-Einerlei zum Hals raus hängt: Für komplette Weihnachtsverweigerer gibt es den LÀ POUR LÀ´s Vintage & Design Market am 14.12. im Club Rocker 33. Dort kommen Designfans auf ihre Kosten, vom Möbelstück bis zum Accessoire, das Angebot ist breit gefächert und dazu gibt es Musik vom DJ und natürlich: Glühwein. Im Heusteigviertel gibt es eine kleine, aber feine Alternative für alle diejenigen, die eben doch ein bisschen Weihnachtsstimmung wollen, die mit einem Flohmarkt verbunden ist, bei dem direkt bei den Anwohnern eingekauft werden kann. Der kleine, sehr persönliche Markt findet am 08.12. statt.
München
Klar, es gibt den Weihnachtsmarkt auf dem Marienplatz. Bekannt, beliebt und gut besucht, von Einheimischen wie Touristen. Das sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass das Leben in München in der Vorweihnachtszeit auch anderswo brummt. Ganz vorne mit dabei im Alternativprogramm sollte der Weihnachtsmarkt des Tollwood-Festivals sein, der mächtig Gas gibt: Musik, Künstler und Speisen aus aller Welt heizen dem Gast ein, der keine Lust mehr hat auf altbackenes Magenbrot. Hier ist alles Bio, hier ist alles jung, frisch und man kann auch mal in der „Tief-im-Wald“-Bar zu hochkarätigen Live-Acts versacken. Der Tollwood-Weihnachtsmarkt läuft bis 23.12. auf der Theresienwiese – der Zutritt zum Gelände ist übrigens frei. Wer es etwas traditioneller will, besucht den Schwabinger Künstlerweihnachtsmarkt oder den Markt am Chinesischen Turm mitten im englischen Garten.
Köln
Wer es zur Vorweihnachtszeit in Köln ein bisschen individueller haben möchte, besucht zum Beispiel den Weihnachtsmarkt in der Körnerstraße. Die Körnerstraße ist ein kleines, alternatives Zentrum in Köln-Ehrenfeld, das auch außerhalb der Weihnachtszeit durch seinen, ja, typisch kölschen Charme besticht – und am 8. Dezember gibt es dort einen Weihnachtsbasar, an dem die Ehrenfelder selbst kräftig mitwirken und dessen Erlöse einem Kölner Sozialprojekt zukommen.
Bunt geht es auf der „Christmas Avenue“, Kölns schwul-lesbischem Weihnachtsmarkt in der Kölner Altstadt, zu. Von den Konservativen im katholischen Köln verteufelt, weil er dem Geist der Weihnachtszeit nicht entspreche, strotzt dieser Markt vor frischen Ideen und Lebensfreude (und ein bisschen Kitsch), die den Staub vom Christstollen pusten. Unbedingt ansehen! Übrigens: Holy.Shit.Shopping. macht auch hier Station. Am 07. Und 08. Dezember.
Waldweihnacht und Co.
Natürlich gibt es auch außerhalb der großen Ballungszentren während der ganzen Adventszeit schöne und interessante Märkte, und zwar zuhauf (wir erinnern uns, Deutschland ist ein Land der Weihnachtsmärkte). Sie alle hier aufzuführen, wäre nicht möglich. Eine Auswahl ist allerdings ein Muss in jedem Artikel über Weihnachtsmärkte, schließlich bieten gerade diese Märkte das, was diejenigen in den Großstädten (unsere Beispiele einmal ausgenommen) manchmal missen lassen: Weihnachtsstimmung. Neue Ideen. Und vielleicht ein bisschen Ruhe vor dem Trubel der Vorweihnachtszeit.
Erzgebirge
Jeder kennt das Schnitzwerk aus dem Erzgebirge. Es wird in ganz Deutschland auf Weihnachtsmärkten verkauft, Räuchermännchen, Nussknacker und Engelsfiguren. Oft schlechte Kopien, manchmal Originale. Das Erzgebirge ist Deutschlands „Weihnachtsregion“, hier finden sich einige der traditionellsten und schönsten Weihnachtsmärkte im Land. Deshalb wird es auch für Kurzurlauber immer attraktiver, die der Hektik der Adventszeit in der Stadt für ein Wochenende entkommen wollen. Eine schöne Auflistung verschiedenster Veranstaltungen und Märkte in der Region gibt es HIER.
Waldweihnacht
Ein Weihnachtsmarkt mitten im Wald. Klingt erst einmal kalt und unwirtlich, ist aber derzeit ein Trend in Deutschland. Und das hat seinen Grund: Im Wald, fernab von Autolärm, Lichtverschmutzung und Shoppingmeilen kommt am ehesten das auf, was sich viele im Advent wünschen, was aber vom Alltag konsequent erstickt wird: Weihnachtsstimmung. Veranstaltungen wie der Weihnachtsmarkt der Waldbühne Halsbach in Bayern machen hier alles richtig. Sie bieten Entschleunigung und Entspannung für Weihnachtsgestresste, erlesenes Programm, Kunsthandwerk… Wenn dann auch noch Schnee liegt, kommt selbst bei den Abgebrühtesten unter uns so etwas wie verträumte Vorfreude auf.
Weihnachtsmärkte auf Schlössern und Burgen
Ebenso beliebt wie Waldweihnachten sind Weihnachtsmärkte auf Burgen und Schlössern, egal ob nun mit Mittelalterflair, oder einfach um dem Markt eine edle Kulisse zu verleihen. Solche Veranstaltungen gibt es natürlich nicht nur in Städten, wie den Weihnachtsmarkt im Innenhof des Schlosses Thurn und Taxis in Regensburg, der es mittels der cleveren Kombination aus Kulisse und der Auswahl der Stände jedes Jahr wieder schafft, ein besonderes Ambiente zu bieten. Auch etwas außerhalb, wie zum Beispiel auf der Burg Satzvey in der Eifel finden Märkte statt, die auch eine längere Autofahrt wert sind. Hier wird mit viel Liebe zum Detail versucht, den Besucher den Alltag vergessen zu lassen. Und, was soll man sagen: Es gelingt.
Der Advent mag für viele eine stressige Zeit sein. Gerade deshalb sollten wir die Angebote, in die viele Menschen viel Aufwand, und oft auch Herzblut investieren, nicht aus den Augen verlieren. Ob als Auszeit, aus Neugier, um einen Tag mit der Familie zu verbringen oder einfach, um mal wieder ein paar Freunde zu treffen, die seit Ende November im Büro zu leben scheinen: Überall in Deutschland finden sich kleine und große, moderne und traditionelle Weihnachtsmärkte, aus denen wir unserem individuellen Geschmack entsprechend wählen können. Das Angebot ist in seiner Fülle beinahe beispiellos. Und sie alle haben eines gemein: Sie sind Inseln, die uns den Alltag für eine Weile vergessen lassen. Und das sollte es ja eigentlich sein, was die Vorweihnachtszeit ausmacht. Sie sollte nicht alltäglich sein.