Werden E-Autos bald wirklich bezahlbar?

VW treibt die E-Mobil-Revolution visionär voran

Schon lange macht Volkswagen mit seinen Zukunftsplänen für die E-Mobilität und geplanten Modellen wie dem VW I.D. mit 600 Kilometern Reichweite von sich reden. Schon im Jahre 2020 soll das kompakte Elektromodell auf den Markt kommen. Danach ist eine ganze Flotte weiterer E-Modelle in allen Klassen geplant. Für etwa 2022 ist der luxuriöse Oberklassenwagen VIZZION mit Allradantrieb und fast 700 Kilometern Reichweite vorgesehen. Die Wolfsburger wollen mit dem größten Autokonzern der Welt Ernst machen. Sie wissen, dass die Zukunft des Automobils elektrisch ist. Nach der Dieselkrise ist die Elektrostrategie des Konzerns die Grundlage künftiger wirtschaftlicher Entwicklung des Unternehmens. Gleichzeitig wird diese Offensive helfen, das Image des Konzerns wieder positiv zu beeinflussen, wenn keine großen Fehler gemacht werden. Insoweit ist die E-Offensive für VW nicht nur eine wichtige Entwicklungslinie, sondern spielt in der Konzernstrategie eine zentrale Rolle. Eine ebenso zentrale Rolle spielt innerhalb der Elektrostrategie das Vorhaben, die Kosten für die Elektroautos zu senken und deren Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Schon vor 2025, so der Konzern, soll ein VW-Elektroauto für unter 20.000 Euro auf den Markt kommen.

Revolutionsträger MEB verändert den Automobilbau

Schon seit 2015 entwickelt Volkswagen den modularen Elektrifizierungsbaukasten MEB, der den Bau von Elektroautomobilen und die Autoindustrie insgesamt revolutionieren soll. Der MEB fungiert als Baukastensystem für Elektroautos, der systematisch alle Systeme und Entwicklungsbestandteile des Automobils im Hinblick auf die E-Mobilität ganzheitlich optimiert. Dadurch entsteht auch ein völlig neues, futuristisches Design. Riesige Fensterflächen sollen die Sicht nach außen verbessern, die B-Säule zwischen vorderen und hinteren Fenstern konstruktiv verschwinden. Ein großes Panoramadach, schon aus vielen Modellen bekannt, soll das loungeartig konzipierte Innere des E-Autos nach oben öffnen. Licht-LED-Streifen umgeben das Fahrzeug von der Front bis zum Heck. Im MEB werden die Achsen genormt, damit sie für verschiedene Modelle genutzt werden können. Dasselbe ist für Antriebe, Radabstände und Gewichtsverhältnisse geplant. Standardmäßig werden die Fahrzeuge über die Hinterachse angetrieben, um die klaren Vorteile des Heckantriebs für das volle Drehmoment des typischen E-Autos optimal zu nutzen. Stets bleibt aber der Allradantrieb möglich. Die großen Batterien sollen in der Fahrzeugmitte gelagert werden, wodurch die Fahrbalance optimiert wird. Im Innenraum wird mit Projektionen und virtuellen Bedienelementen gearbeitet. Durch diese Virtualisierung verschwinden mechanische Bedienelemente und es entsteht mehr Raum in der Kabine. So soll etwa der neue VW I.D. von den Außenmaßen her in etwa dem Golf entsprechen, bietet aber im Innenraum Platz wie etwa der Passat. Einige Systeme werden durch Gesten- und Sprachsteuerung gelenkt. Grundsätzlich sind alle Systeme skalierbar. Die Räder befinden sich in den Ecken, damit maximaler Raum für die Kabine und die Batterien bleibt. Bei allen Entwicklungen des MEB soll heute schon die Zukunft des autonomen Fahrens etwa bei Schnittstellen, möglichen Verkabelungen, Anwendungen und Architekturen mitgedacht werden. Digitale Schließsysteme, wie sie etwa im Carsharing benötigt werden, werden ebenso berücksichtigt wie für das autonome Fahren notwendige Sensoren. Nach einer Übergangsphase mit herkömmlicher Bedienung, Lenkrad und Pedalen sollen die neuen Kinder des MEB-Baukastens sich später fahrerlos bewegen. Ziel des Baukastensystems ist neben dieser technischen Revolution auch, die Entwicklungskosten für neue Automobile massiv zu senken. So wird der MEB geradezu die Voraussetzung für die Großserienproduktion von Elektroautos bilden.

Volkswagen öffnet die MEB-Technologie für seine Konkurrenten

Jetzt hat ein weiterer revolutionär anmutender Schritt die Fachwelt aufhorchen lassen. Michael Jost, Leiter der Strategie bei der Marke Volkswagen, verkündete im Januar 2019 im Berliner Tagesspiegel, dass Volkswagen bereit sei, seinen MEB für andere Hersteller zu öffnen. Dadurch, so Jost, könnten die Skalierbarkeit im E-Automobilbau insgesamt verbessert und Kosten gesenkt werden. Man sei schon mit einigen Herstellern der Kompaktklasse im Gespräch und verspüre eine globale Verantwortung für den Klimaschutz, den er als global größte Herausforderung bezeichnete. Dieser Schritt würde vermutlich die im Sinne des Klimawandels und der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie notwendige E-Mobilität befördern. Volkswagen nennt als Flottenziel, dass der gesamte CO2-Ausstoß um 37,5 % entsprechend dem Pariser Klimaabkommen sinken soll. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Anteil der Elektroautos am Gesamtbestand um 2030 bei rund 40 % liegt. Jost hat zweifelsohne Recht, wenn er die Elektro-Offensive als gut für Volkswagen und die Gesellschaft bezeichnet. Da ist es keineswegs eine Abwertung, wenn festzustellen ist, dass Volkswagen seinen MEB nicht nur aus Altruismus für die Konkurrenz öffnet. Die Hoffnung ist, dass Teile des MEB sich als Industriestandards fest etablieren. Dadurch würden dem Konzern außer Lizenzgebühren weitere Vorteile zurückspielt werden. Gelingt das Vorhaben, besitzt Volkswagen in bestimmten Segmenten ohne Zweifel die Industrieführerschaft.

Kooperationen sind in der Automobilindustrie an sich nichts Ungewöhnliches. Kooperierende Unternehmen werden allerdings immer wieder durch Kartellvorwürfe verunsichert. Dennoch halten Experten wie Marcus Berret von Roland Berger solche Kooperationen für unverzichtbar. Im Falle der geplanten Öffnung des MEB geht Volkswagen allerdings einige Schritte weiter als bei Kooperationen wie gemeinsam verwendeten Motoren oder anderen Aggregaten. Hier geht es nicht um begrenzte Kooperationen, sondern um die Öffnung eines für den gesamten E-Mobilbau des Konzerns konstitutiven Systems.