EU will Weltspitze beim Spritsparen werden

Der Kampf gegen Umweltverschmutzung und Klimawandel bleibt eine Priorität der EU. Die Grundüberlegung ist einfach: Je weniger Sprit die Autos pro Kilometer verbrauchen, desto weniger Emissionen gibt es und umso mehr wird unser blauer Planet geschont. Im Dezember haben sich die Kommission, EU-Parlament und alle EU-Staaten auf entschlossene Vorgaben an die Industrie geeinigt. Bis 2025 müssen Neuwagen im Durchschnitt 15 % weniger CO2 ausstoßen als heute, bis 2030 müssen es 37,5 % weniger sein. Eine Ausnahme wurde für Transporter und Lieferwagen vereinbart. Hier müssen die Emissionen um 31 % sinken. Neben der Abschaltung der Kohlekraftwerke und der Energiepolitik soll so ein beträchtlicher Beitrag zur Reduktion der negativen Klimagase erreicht werden. Immerhin kommt rund ein Viertel aller schädlichen Gase aus dem Autoverkehr. Bei der Umsetzung dieser Vorgaben spielen die Elektroautos eine wichtige Rolle. Der Verbrauchswert wird über den von der EU mit den Verbänden ausgehandelten Normflottenverbrauch gemessen. Jeder Hersteller, der ein Elektroauto auf den Markt bringt, reduziert seinen durchschnittlichen Flottenverbrauch überproportional. Die strengen EU-Vorgaben befördern also den Durchbruch der Elektroautos quasi automatisch. Sie stellen allerdings die Hersteller vor die große Jahrhundertaufgabe, die noch hemmenden Rahmenbedingungen wie zu schwache Batterien und den mangelhaften Ausbau der Ladestationen zu beseitigen. Der Streit tobt nun um die Frage, ob diese Politik der Automobilindustrie nutzt oder schadet.

Automobilhersteller beklagen die Vorgaben als zu ambitioniert

Europäische Autohersteller üben erhebliche Kritik an den Vorgaben der EU. Sie bezweifeln, dass die technologischen Visionen realisierbar seien. Die Vorgaben der EU seien die schärfsten weltweit und gefährdeten Hunderttausende von Arbeitsplätzen beklagt etwa der Verband der Automobilindustrie, VDA. Kein Ingenieur könne heute einen Plan für die Realisierung dieser Vorgaben vorlegen. Auch der europäische Herstellerverband fällt in diesen Klagegesang ein und nennt die Vorstellungen der EU unrealistisch. Ganz anders sehen das Umweltschützer wie der Bund Umwelt und Naturschutz oder der ökologische Verkehrsclub VCD. Die Sicht der Automobilindustrie sei kurzsichtig, in Wahrheit sorgten die strengen Vorgaben der EU für einen Vorsprung der europäischen Hersteller auf dem Weltmarkt. Die Industrie müsse endlich verstehen, so glaubt mancher Wirtschaftswissenschaftler, dass nur echte Innovationen Wettbewerbsvorteile generieren könnten. So bedrohe etwa die massive Elektroautoförderung in China langfristig die Stellung europäischer Hersteller am Weltmarkt, wenn diese nicht endlich massive Anstrengungen zum Durchbruch der Elektroautos, Innovation in der Batterietechnik und der Ladeinfrastruktur realisierten. Viele junge Konsumenten denken, nicht Politiker hätten die jetzt drohenden Fahrverbote verschuldet, sondern eine viel zu träge Automobilindustrie. Weltweit würden Industrien nicht durch Innovationsdruck, sondern durch träges Beharren und Selbstüberschätzung bedroht.

Ehrgeiz und Innovation oder Beharrungsvermögen vorziehen?

Letztlich handelt es sich um einen Kompromiss. Deutschland als klassisches Herstellerland wollte weniger strenge Grenzwerte, Umweltschützer und Grüne in Europa wollten mehr. Kompromiss ist aber auch ein anderer Name für Europa. Mit dem Vorstoß zeigt sich die Unverzichtbarkeit der EU. Diese hat sich mit der Einigung aller europäischen Staaten und Investitionen im Klimaschutz handlungsfähig gezeigt. Selbst die in der Sache kritische grüne Europa-Abgeordnete Harms nannte den Kompromiss als zwar nicht weitgehend genug, aber „das Beste, was mit den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zu erreichen war.“ Der EU-Klimakommissar Canete bezeichnete die Entscheidung als zwar ehrgeizig, aber ausgewogen. Ohne eine gemeinsame europäische Linie würde jeder nationale Automobilhersteller staatliche Vorgaben mit dem nicht ganz unberechtigten Hinweis auf die Wettbewerbsverzerrung gegenüber Nachbarstaaten verhindern können. Ohne die EU gäbe es wohl in Europa keinen Klimaschutz. Ebenso richtig ist, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. So ist die tatsächliche Feststellung der Werte wie zum Beispiel Flottenverbrauch noch immer zweifelhaft und beruht weitgehend auf den klassisch eher zu gutgläubigen Angaben der Hersteller.

Viele junge Konsumenten glauben, dass die Autoindustrie bewusstseinsmäßig hinter der Entwicklung der Gesellschaft hinterherhinkt. Mach doch einmal eine Umfrage in deinem Bekanntenkreis. In der Generation Y hat sich das Verhältnis zum Automobil grundlegend gewandelt. Viele wollen eine intelligente Mobilität und kein Statussymbol. Sie halten Ehrgeiz und Mut für eigentlich ganz gute Motoren für die gesellschaftliche Entwicklung. Sie möchten helfen, das Klima zu retten. Der Durchbruch beim Carsharing ist ein Beispiel. Kleinwagen gelten heute nicht mehr nur als sparsam, sondern werden als intelligente Mobilitätslösungen auch von vielen wohlhabenden jungen Leuten gerne gefahren. Menschen am Anfang ihrer Karriere wünschen sich eine intelligente Industrie, die Innovation und Schönheit im Automobil verbindet. Start-ups arbeiten an immer neuen Technologien und wissen, dass nicht Beharrungsvermögen, sondern die Geschwindigkeit von Veränderungen über die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft entscheidet. Technologisch herausfordernde Ziele wie die Spritsparvorgabe der EU sorgen für Investitionen, Innovationen und moderne Arbeitsplätze. Die Fachleute vom kritischen Automobilverband VCD etwa erkennen an, dass deutliche Fortschritte der Automobilindustrie beim Spritsparen in den letzten Jahren völlig unbestreitbar seien. Leider werde aber ein Teil dieser Fortschritte dadurch aufgefressen, dass die Neuentwicklungen durchschnittlich bei Gewicht und Leistung immer noch Jahr für Jahr zunehmen würden. Eines ist sicher: Massive Veränderungen in der Automobillandschaft werden das nächste Jahrzehnt bestimmen. Viele junge Autofahrer und Ingenieure sehen das als Herausforderung und nicht als Angstmacher.