Am Mittwoch streikt Die Bahn schon wieder und die S-Bahn liegt erneut fast komplett flach. Es gilt Beherrschung und Geduld an den Tag zu legen.

Aber wieviel, aber wie lange? Wieso denn?, denkt sich so manch einer und bekommt hervorstehende Adern am Hals, sobald er an die vollgestopften U-Bahnzüge und Busse denkt. Neurotisches Zucken in den Fäusten, unkontrollierte Schweißausbrüche und Zähneknirschen sind die Folgen, dieser oftmals einfach aussichtslosen Bemühungen keine schlechte Laune zu bekommen, wenn von hinten wieder ein Pulk Menschen drängelt, es keine Möglichkeit mehr gibt aus den Zügen zu kommen, weil alles so dicht steht, dass man von Glück reden kann, Frischluft nicht unter der Achsel seines größeren Quetschnachbarns suchen zu müssen. Nicht jeder Berliner macht Yoga und hat die innere Balance durch ausgiebige Meditationssessions erreicht. Nicht jeder Berliner ist Vegan und hat die 10 Juice Detox hinter sich, sodass der eigene Körpergeruch einer beinahe geruchslosen Primel gleicht.

Für alle die also schnell grün anlaufen und das doppelte an Körpergröße zunehmen, haben wir einige Tipps, damit ihr den diesmal unbefristeten Streik lebend und mit intakten Nerven übersteht.

1. Die Psychoverwirr-Taktik ( nur was für Mutige)

Auch Reverse Psychology genannt. Soll laut Experten in allen möglichen Lebenslagen ein durchaus guter Helfer sein, ob im Business, in Beziehungen oder einfach nur beim Saufgelafe, während man dabei ist den Bartender zu überzeugen, dass er doch einen cl mehr in den Drink kippen könnte. Am besten ist es natürlich wenn man bereits grinsend und freundlich lächelnd in seine Bahn oder den Bus steigt, da das Aggressivität vermindert. Wenn man es schafft diese Attitüde beizubehalten, während sich 60% der Fahrgäste immer auf den äußeren Sitz pflanzen, auch wenn der Fensterplatz noch frei ist, dann Respekt.

Schafft man es auch den Men-Spread oder die Tussimonstertasche zu ignorieren und weiterhin freundlich danach zu fragen, ob man denn den Platz frei machen könnte, ist alles so gut wie überstanden. Dann geht es gleich zu Punkt zwei, der auch mit 1 durchaus gut zu kombinieren ist. Einfach eine Maske des Frohsinns aufsezten und eine Aura des Positivismusses, so dick wie die Ranzschicht auf der Warschauerstraße am Wochenende, zulegen und jedes Individuum anstrahlen. Kann natürlich sein, dass dies missinterpretiert wird und man sich eine fängt… wenn es allerdings gut läuft hat man von dem Backfischgrinsen noch was im Büro und startet besser gelaunt in den Tag als angenommen.

2. Kopfhörer unbedingt mitnehmen

Das schlimmste ist der Geräuschpegel, der bei solchen Massenaufläufen entsteht. Deswegen ist es unglaublich wichtig die Kopfhörer oder In-Ears (isolieren einfach die Außenwelt besser, wenn auch medizinisch nicht unbedingt ganz oben auf der Empfehlungsliste) mitzunehmen. Am besten alle Lieblingsalben auf den Player knallen oder ein gutes Hörbuch (falls man nicht parallel Mucke hören und Lesen kann) und die Welt ausblenden. Das Gute an einem Hörbuch ist, dass man auch in Sardinen-Stehstellung noch eine Geschichte vermitteln bekommt, während man ein Buch nicht mehr aufgeschlagen vor sich buchsieren kann, ohne dass es danach so knitterig und dellig aussieht, wie die Pornozeitschriften eines Teenagers.

Mit Kopfhörern muss man kein nerviges Gebrabbel und Gekicher von Schülern, das ins Telefongekeife frustrierten Büroangestellter, das hysterische Geschrei von an U-Bahn-Hitzeschlag und Langeweile leidenden Kindern oder das hochgestochene, pikierte ausrufen älterer Herrschaften, die andauern behaupten, sie hätten sowas ja noch nie gesehen.

3. Bücher / Zeitungen / Zeitschriften

Das gedruckte Wort ist wertvoll in dieser Zeit der Not. Dank der längeren Wartezeiten und bereits voherzusehenden Verspätungen, kommt man endlich dazu den Roman zu lesen, der seit Monaten, vielleicht sogar Jahren, im Bücherregal rumdümpelt. Ein Buch in der Tasche bedeutet fast immer Instant-Ablenkung. Zeitungen könnten eventuell negative Auswirkungen haben, wenn der Blick sich im Wirtschafts- oder Politikteil , oder die nächste Streikmeldung verfängt. Einfach eine Parallelwelt aufsuchen – das ist das Sicherste.

4. Anrufe tätigen, die überfällig sind

Wenn der Lärmpegel es zulässt, kann man die Zeiten, die man wartend am Steig verbringt auch mit Anrufen füllen. Die Familie schon lang nicht mehr über die neusten Entwicklungen im Job, oder die Beziehungspannen upgedated, Schwiegermutter vernachlässigt, oder einfach schon seit Ewigkeiten nicht mit den engsten Freunden einfach mal so geschnackt, oder einen lästigen Anruf aufgeschoben? Dies ist die Gelegenheit, um die Minuten endlich mal alle zu Nutzen und das Abo auszulasten. Es schmiedet neue Bande, festigt Alte und hilft eventuell dabei die nächste gemeinsame Freizeitaktivität zu finden oder den Terminkalender durch effizienteres Planen zu räumen.

5. Spiele

Hört sich vielleicht beim ersten Lesen etwas verrückt an, aber ein Zauberwürfel oder Holz- und Metall-Knobelspiele geben den Fingern und dem Geist zu schaffen und lenken definitv ab. Es sei denn man gehört zu der Cholerikerfraktion, die nach drei Versuchen ausrastet, weil die Lösung nicht zu finden ist. Kartenspiele, Rätselspiele und Quizze auf dem Handy können auch mal wieder in Angriff genommen werden. Vielleicht kann man endlich den lang angepeilten Rekord brechen. Auch schön: Sexting mit dem Partner, der gerade in einer anderen ebenso vollen Ubahn um seine geistige Gesundheit bangt. Ein  bisschen mehr Erotik und Feuer in der Hose, während man versaute Nachrichten hin und her sendet, hat noch niemandes Laune geschadet.

6. Vorrausplanen

Hat man nun mal unfreiwilig Zeit, sollte diese auch genutzt werden. Während der Wartezeiten am Steig oder in der Bahn, kann bereits aktiv daran gedacht werden, was es alles zu erledigen gilt, was man am Abend Einkaufen oder Kochen kann, wie man seinen Tag strukturiert und wie man es schafft den ein oder anderen Arbeitsauftrag doch noch in den Zeitplan zu quetschen. Entscheidungen treffen in einem eigentlich toten Zeitfenster, kann am Abend zumindest ein kurzlebiges Gefühl ein absoluter Time-Manager-Held zu sein, aufleben lasse. Man sollte sich auch kleinen Erfolgen hingeben dürfen. Falls man trotzdem noch pissig ist, weil man dank des U-Bahnmiefs schon wieder Brechreiz hat, oder Migräne, dann hilft nur noch der Griff zur Tafel Frustschokolade und dem frittierten Hänchenschenkel.

7. Nichts tun

Ganz einfach mal nichts sagen, sich nicht beschweren, nichts tun. Das absolute Nichts während des Wartens genießen. Wann hat man schonmal Zeit seine Gedanken ausgiebig schweifen zu lassen? Den Geist auf Wege zu führen, an denen man schon lange Zeit nicht mehr war? Jetzt ist Zeit da, um an den letzten Traumurlaub oder den nächsten zu denken, um Entscheidungen gegeneinander abzuwägen, einen Plan B und C im Leben zu entwickeln, als Rajah irgendwo einen Elefanten durch den Dschungel zu reiten, die Millionen im Lotto zu gewinnen, das Objekt der Begierde im Geiste zu verführen…Alternativ kann man einfach mal die Leute um einen herum beobachten und sich so direkt in Ausgeglichenheit üben.

Mehr haben wir leider auch nicht zu bieten, zaubern können wir nicht, nur realistisch sein. Immerhin hoffen wir selbst, venünftig ans Ziel zu kommen. Und das wünschen wir natürlich auch allen anderen, die von diesem dummen S-Bahn Streik betroffen sind.

Text: Anna Lazarescu