Unser Kommentar zur Car Sharing Studie von Civity

Studie behauptet: Carsharing soll Stadtverkehr nicht verbessern

Carsharing boomt. Überall in den Innenstädten sieht man die Autos von DriveNow & Co, die Kunden nehmen das Angebot gerne an. Nun hat das Beratungsunternehmen Civity die Studie „Urbane Mobilität im Umbruch“ herausgebracht, die zu dem Schluss kommt, dass Carsharingautos den Großteil des Tages stillstehen und hauptsächlich zu Zeiten genutzt werden, in denen es keinen Berufsverkehr gibt, somit also nicht zur Entlastung in Stoßzeiten beitragen. Außerdem heißt es, die mit Carsharing zurückgelegten Strecken seien kurz, kürzer zum Beispiel als die mit dem ÖPNV durchschnittlich gefahrenen Strecken. Das Fazit von Stefan Weigele, Civity-Mitbegründer und Studienmacher: Carsharing ist, kurz gesagt, bloßer Hype. Eine Blase, die platzen wird.

Willhelm II. hat mal gesagt „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“. Nun könnte man Stefan Weigele unterstellen, in ihm stecke ein kleiner Willhelm.
Immerhin wird ja Carsharing allerorten gepriesen als Lösung für die desolate Verkehrslage in den Großstädten? So einfach ist es nicht. Civity ist ein Beratungsunternehmen, das sehr ÖPNV-nah ist. Dass Interessen Studien – oder deren Präsentation – ein wenig einfärben können, ist allgemein bekannt. Das ist aber nicht der Haken, der Haken ist die Studie an sich: Es wurde nicht mit den Carsharinganbietern zusammengearbeitet, vielmehr wurde das Buchungsvehalten auf deren Internetseite getrackt. Alle dreißig Minuten, um zu eruieren, ob sich die Fahrzeuge bewegt haben. Dass dieses Studiensetup brüchig ist, muss man wohl nicht weiter erwähnen. Car2go jedenfalls wehrt sich vehement gegen die Zahlen und gibt weitaus höhere Auslastungen an.

Carsharing wirklich nutzlos?

Nehmen wir mal an, dass die Studie nicht schwarzgefärbt ist, weil der ÖPNV durch Carsharing Umsatzeinbußen befürchtet. Ob der ÖPNV tatsächlich weniger Umsatz macht, weil die Leute lieber die teurere, aber bequemere Variante wählen, anstatt von einem Busfahrer angeraunzt zu werden oder auf eine Bahn zu warten, die nicht kommt, tut hier erst mal nichts zur Sache. Nehmen wir an, die Ergebnisse der Studie sind völlig korrekt:

Carsharing bedeutet immer erst einmal, dass sich mehrere Leute ein Auto teilen. Das ist der Fall, egal wie groß oder klein die Auslastung ist. Und Carsharing, zumindest das „free floating“-Konzept, ist auch immer noch in der Entwicklung: Die stetig steigenden Umsatzzahlen belegen das.
Das entkräftet auch das Stoßzeitenargument: Ehe man sich zu einer Stoßzeit mit Carsharing in den noch immer übermächtigen Pulk der Privat-PKW-Fahrer stürzt, nimmt man dann doch lieber die Bahn, schließlich kostet jede Minute Geld (außerdem belegt das Video unten ja, dass die Angebote sehr wohl auch zu den Hauptverkehrszeiten ausgiebig genutzt werden). Würden sowohl Carsharing als auch ÖPNV mehr in Anspruch genommen, die Verkehrs- und Parkplatzlage wäre entspannter. Außerdem lässt alleine die Möglichkeit, jederzeit, also auch außerhalb der Rush Hour, in ein Auto vor der Tür zu steigen zu können, zweimal darüber nachdenken, ob man sich denn wirklich ein eigenes anschaffen muss.

Und wie ist das mit der Umwelt?

Nun könnte man anführen, dass Fahrrad und ÖPNV die umweltschonendere Alternative sind, schließlich würde ja selbst bei voller Auslastung ebenso viel Blech bewegt wie vorher, nur dasselbe mehrmals. Dieses Argument lässt den aktuellen Trend zu Elektroautos und Hybriden außer Acht, die gerade im Stadtverkehr und gerade bei Carsharing großes Potenzial haben, ein Potenzial mit Wechselwirkung: Jemand, der einmal mit einem Carsharing-BMW ActiveE unterwegs ist, lernt die Vorteile dieser emissionsneutralen Technik möglicherweise schätzen – und die Autohersteller haben die Möglichkeit, sich auszuprobieren mit neuen, spezialisierten Technologien.
Im Endeffekt liefert die Studie, selbst wenn die Daten stimmen, also nur eine Momentaufnahme einer Entwicklung. Und Momentaufnahmen lassen bekanntlich viel Spielraum für Interpretation.

Zum Schluss wollen wir euch Civitys (ausgesprochen hübsches) Timelapsevideo der Buchungen in Berlin nicht vorenthalten. Und erwähnen, dass zwar die größte Auslastung außerhalb der Stoßzeit, also um 21 Uhr liegt, die Buchungen aber zwischen acht und neun Uhr morgens und abends um 18 Uhr, also genau zu den Berufsverkehrszeiten, beinahe ebenso hoch sind: